In Italien ist der Wiedereinstellungsanspruch nach einer unbegründeten Kündigung („tutela reale“ des Arbeitsverhältnisses) in den letzten Jahren im Wesentlichen abgeschafft worden. In Deutschland gilt er nach wie vor, wobei eine nicht sozial gerechtfertigte Kündigung das Arbeitsverhältnis gar nicht erst beendet. Der gekündigte Arbeitnehmer wird im technischen Sinne, wenn er, ggfs. erst nach mehreren Jahren Prozessdauer über mehrere Instanzen, den Prozess gegen den Arbeitgeber gewonnen hat, nicht „wieder“ eingestellt - er wird so behandelt, als ob ihm nie gekündigt worden wäre. Das führt für den Arbeitgeber zu einem erheblichen Risiko der Nachzahlung von Vergütungsansprüchen für die gesamte Prozessdauer (=Annahmeverzug).
Der Arbeitgeber hat aber zumindest einen Anspruch auf Anrechnung dessen, was der Arbeitnehmer während der Prozessdauer dadurch erlangt, dass er seine Arbeitskraft in zumutbarer Weise verwertet oder dies böswillig unterlässt. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer zum Beispiel unter bestimmten Voraussetzungen auffordern, solange der Prozess nicht entschieden ist, bei ihm weiter zu arbeiten (sogenanntes Prozessbeschäftigungsverhältnis). Er hat aber auch einen Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf Auskunft darüber, welche Arbeitsversuche er in dieser Zeit unternimmt. Wie das BAG jetzt entschieden hat, und dadurch seine bisherige Rechtsprechung ändert, hat er auch einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit unterbreiteten Vermittlungsvorschläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung (U.v. 27.05.2020, 5 AZR 387/19).
Diese Entscheidung ist von hoher praktischer Relevanz, da der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, der zumutbare Arbeitsangebote der Agentur für Arbeit nicht annimmt, ein böswilliges Unterlassen vorhalten kann, das ihn selbst von der Zahlung der nachträglichen Bruttogehälter, zumindest anteilig, befreien kann. Arbeitgebern wird wohl regelmäßig bei Zahlungsforderungen des Arbeitnehmers auf Vergütung für die Prozessdauer anzuraten sein, zunächst den Auskunftsanspruch geltend zu machen, bevor eine Zahlung erfolgt.