Einer der wesentlichen Unterschiede im Gesellschaftsrecht der beiden Länder ist das in Deutschland noch nicht vorhandene Unternehmensstrafrecht. Ein „Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten“ liegt als Entwurf der Bundesregierung dem Bundestag vor und wird vielleicht in dieser Legislaturperiode noch verabschiedet. Der italienische Gesetzgeber hat demgegenüber bereits im Jahr 2001 ein Gesetz eingeführt, das zu einer eigenen Verantwortung der Unternehmen bei Verletzung von Compliance-Regeln führt, und neben Geldstrafen auch den Ausschluss des Unternehmens von öffentlichen Ausschreibungen, aber auch ein generelles Verbot weiterer Unternehmenstätigkeit vorsieht (DL 8.6.2001, n. 231).
Deutsche Unternehmer und Manager, die in die Geschäftsführung oder in den Vorstand von italienischen Tochtergesellschaften eintreten, sind sich oft der erheblichen Risiken nicht bewusst. Hier bietet sich ein klassisches Beratungsfeld für grenzüberschreitend tätige Juristen.
Eine für die italienische Rechtspraxis relevante Entscheidung hat jetzt der Ermittlungsrichter in Mailand getroffen. Es hat festgestellt, dass das Unternehmensstrafgesetz 231/2001 nicht auf Gesellschaften mit nur einem Gesellschafter anzuwenden sind. Im entschiedenen Fall ging es um eine mit einer deutschen UG vergleichbaren 1-Euro srl. Der Strafrichter ist der Auffassung, dass man bei einer solchen Einmanngesellschaft keines von der Gesellschaft getrenntes autonomes wirtschaftliches Interesse, das strafwürdig erscheint, feststellen könnte (GIP Milano 971/2020, zitiert nach Sole 24 Ore vom 24.09.2020).