In der letzten Ausgabe haben wir bereits darüber berichtet, dass ab dem 01.08.2022 neue europäische Vorschriften über Ehesachen und elterliche Verantwortung in Kraft treten würden, die im europäischen Raum automatisch „private Scheidungen“ anerkennen würden, d.h., solche einvernehmlichen Scheidungen, die mit alternativen Verfahren vor dem Gericht (in Italien durch anwaltlich unterstützte Verhandlungen oder vor dem italienischen Zivilstandesamt) abgeschlossen werden können.
Die neuen Regeln gelten nur für Privatscheidungen, die nach dem 01.08.2022 geschlossen werden. Für frühere Fälle hingegen blieb die Frage bis zur Entscheidung des EuGH offen, der mit der Auslegung der spezifischen Vorschrift der europäischen Verordnung 2201/2003 (inzwischen aufgehobenen) befasst war. In seinem Urteil vom 15.11.2022 (Rechtssache C-646/20) hat der Europäische Gerichtshof endgültig klargestellt, dass eine von einem Standesbeamten des Ursprungsmitgliedstaats errichtete einvernehmliche Scheidungsurkunde, die die vor dem Standesbeamten getreu den in den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen erfüllt, eine „Entscheidung“ im Sinne von Art. 2 Nr. 4 darstellt.